Die merkwuerdige Ehe der Coral Glynn - Roman by Peter Cameron

Die merkwuerdige Ehe der Coral Glynn - Roman by Peter Cameron

Autor:Peter Cameron
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2012-10-22T16:00:00+00:00


III

Coral machte bald nach ihrer Ankunft in London eine Frau ausfindig, die ihrer Schwangerschaft ein Ende setzte.

Sie schrieb auf dem Umweg über die Loftings an Clement, erhielt aber keine Antwort. Ein paar Wochen später schrieb sie ihm noch einmal; zu diesem Zeitpunkt hatte sie ein neues Zimmer in einem großen Haus in Grantley Terrace bezogen, kehrte jedoch regelmäßig zu ihrer früheren Unterkunft zurück, um nach ihrer Post zu schauen. Sie fand keine vor, und auch ihr zweiter Brief, in dem sie ihre neue Adresse mitgeteilt hatte, blieb unbeantwortet. Sie schrieb einen dritten und letzten Brief.

Sie war vom National Health Service als ambulante Krankenschwester eingestellt worden, was ihr gut gefiel. Sie fuhr gern zu den Patienten nach Hause, legte neue Verbände an, gab ihnen Spritzen, badete sie, wechselte ihre Bettwäsche, leerte sogar die Bettpfannen. Nach Feierabend kehrte sie dann in ihr kleines Zimmer mit Bett, Kommode, Stuhl und Gaskocher zurück. Durch das Fenster konnte sie Bäume sehen, unten wurde Klavier gespielt. Madame Paszkowska, ihre Vermieterin, war Pianistin und übte oft. Wenn man ihr glauben durfte, war sie vor dem Krieg eine bekannte Pianistin in Europa gewesen.

Coral fand Clements Schweigen anfangs sehr beunruhigend, aber nach einer Weile leuchtete es ihr ein: Verständlich, dass sie nichts von ihm hörte. Sie würde nie wieder etwas von ihm hören. Dolly hatte ihm gewiss von ihrer Schwangerschaft erzählt, und dies, zusammen mit der furchtbaren Sache mit dem Mädchen im Wald, hatte dazu geführt, dass er mit ihr gebrochen hatte. Gut möglich, dass er ernsthaft vorgehabt hatte, wieder mit ihr in Kontakt zu treten, als er sie damals fortgeschickt hatte, aber nach ihrer Abreise war ihm gewiss bewusst geworden, dass er einen Fehler begangen hatte. Die ganze Sache war von Anfang an ein Fehler gewesen. Sie war vorbei.

Coral fand es viel schwieriger, den Gedanken an Inspektor Hoke zu verdrängen. Eine Zeit lang glaubte sie, ihn überall zu sehen, egal wo sie sich aufhielt, und sie war überzeugt, dass er ihr eines schönen Abends bei ihrer Rückkehr nach Grantley Terrace auflauern würde. Aber dann dämmerte ihr, dass er nicht kommen würde, dass er sie, wenn dies seine Absicht gewesen wäre, längst aufgespürt hätte – sie hatte gar nicht erst versucht, sich zu verbergen –, und sie begriff, dass diese Belastung, dieser Schatten verschwunden war, genau wie das Baby.

Coral dachte: So viel Glück habe ich nicht verdient, obwohl »Glück« vielleicht das falsche Wort dafür war. Doch sie fühlte sich befreit: Sie hatte so viele Probleme gehabt – alles war problematisch gewesen, und das über einen sehr langen Zeitraum –, und dass sich diese immer tiefer werdende Dunkelheit gelichtet hatte, erfüllte sie mit Freude.

In Madame Paszkowskas Haus in Grantley Terrace gab es nur eine andere Mieterin, eine ältere Frau namens Miss Lingle. Diese lebte mit Pansy, ihrem Kaninchen, das den ganzen Tag auf ihrem Schoß saß, in der Wohnung unter Coral. Miss Lingle ließ zwar ihre Wohnungstür offen und lächelte Coral an, wenn diese morgens und abends vorbeikam, sprach sie aber nie an, und Coral sprach Miss Lingle auch nicht an.



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